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Das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) existiert seit nunmehr 17 Jahren. Gemeinsam mit vielen Vertretern aus der Wertschöpfungskette der Branche wurden Hilfestellungen für eine gute Unternehmensführung unter Beachtung der teils vorgegebenen, teils selbst erstellten Regeln erarbeitet. Beispielhaft seien hier die 10 Gebote, das Wertemanagement, der Nachhaltigkeitskodex, die Handbücher für nachhaltige Unternehmensführung und Corporate Social Responsibility sowie die Einführung einer rollierenden Zertifizierung von Compliance-Systemen genannt.

Vor diesem Hintergrund erscheint es völlig unverständlich, wie es bei den Themen Enteignung von Wohnungsunternehmen, Ausübung von Vorkaufsrechten und Share Deals dazu kommen konnte, die Immobilienwirtschaft unter den Generalverdacht zu stellen, ausschliesslich auf die  Profitmaximierung zu fokussieren und sich der gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen. Nachfolgend wird deshalb diese Entwicklung aus der persönlichen Sicht eines Beteiligten kommentiert  und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Die Strukturen der Immobilienwirtschaft wird überwiegend durch mittelständische Unternehmen geprägt. Die Geschäftsmodelle reichen von der Planung und Errichtung über den Betrieb zu mannigfaltigen Dienstleistungen wie Bewertung, An- und Verkaufsberatung, Finanzierung und Rechtsberatung. Lebenszyklen bis zu 100 Jahren erfordern eine sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken und somit ein nachhaltiges Handeln. Wirtschaftlich lassen sich drei Wertschöpfungsarten unterscheiden: die Erzielung einer risikoadäquaten Rendite (Planung, Bau, Betrieb), die Partizipation an einem Transaktionserlös (An- und Verkauf) sowie Erlöse aus Dienstleistungen (Beratung, Bewertung, Finanzierung). Die Erzielung von Gewinnen ist die Triebfeder unternehmerischen Handelns und Garant für ein breites Angebot, das die Voraussetzung für angemessene Preise bildet. Aus diesen werden Millionen von Arbeitnehmern, Lieferanten, Zinsen und Steuern bezahlt. Mit einer Bruttowertschöpfung von fast 20% gehört die Immobilienwirtschaft zu den Motoren unserer Volkswirtschaft und sichert Wohlstand, Beschäftigung und die Finanzierung unserer sozialen Absicherungssysteme.

Verzerrte Wahrnehmung

Die Realität, die wir jeden Tag im Netz und in den Medien wahrnehmen, zeigt ein verzerrtes Bild. So wohnen zwar fast 50% der Bevölkerung im selbstfinanziertem Eigentum, die Berichterstattung fokussiert nahezu ausschliesslich auf die Situation der Mieter in Ballungszentren. Der Wohnungsbestand in Deutschland weist einen Leerstand von 1,4 Millionen Wohnungen aus, berichtet und diskutiert wird nur über die Situation in den sogenannten Schwarmstädten. Objektive Analysen, wie es in Teilmärkten trotz eines seit Jahren erkennbaren Trends zu Nachfrageüberhängen kommen konnte, sind eher selten. So können Hintergründe nicht verstanden und Zusammenhänge nicht gesehen werden. Statt einer fundierten Meinung leiten pauschale Urteile die öffentliche Diskussion und verbauen Wege für konstruktive Lösungen.

Der schnelle Weg zum Generalverdacht

Zusätzlich zur Intransparenz über Mechanismen und Rahmenbedingungen der Immobilienwirtschaft trägt der hohe Fragmentierungsgrad der Branche zur Problematik bei. Obwohl in mehr als 800.000 Unternehmen jeden Tag sorgfältig und verantwortungsvoll gearbeitet wird, führt das Fehlverhalten Einzelner schnell zum Generalverdacht einer systematischen Ausnutzung der Bedürfnisse der Nutzer, um rücksichtslos seinen Vorteil zu erlangen. Führungskräfte und Millionen von Arbeitnehmern, die sich nichts vorzuwerfen haben, werden medienwirksam in Sippenhaft genommen und in ihrer Glaubwürdigkeit unterminiert.

Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit

Artikel 14 des Grundgesetzes verpflichtet Eigentümer auf das Wohl der Allgemeinheit. Letzteres kann zum Zwecke der Vergesellschaftung zur Enteignung von Grund und Boden gegen eine angemessene Entschädigung führen (Artikel 14 und 15). Welche Anwendungsfälle haben die Väter des Grundgesetzes dabei vor Augen gehabt? Und lässt sich diese Regelung auf den strukturellen Nachfrageüberhang in Schwarmstädten anwenden? Ein dem privaten Eigentum übergeordnetes Interesse kann vorliegen, wenn z.B. Infrastrukturmassnahmen zur Verbesserung von Versorgungs- oder Verkehrslagen (Trassenbau, Autobahnbau) umgesetzt werden sollen. Das Interesse breiter Teile der Bevölkerung ist größer als das Interesse Einzelner. Die angemessene Entschädigung durch die öffentliche Hand macht Sinn, weil der gesellschaftliche Nutzen höher zu bewerten ist. Im Gegensatz dazu macht die Enteignung eines Wohnungsunternehmens von Beständen in Schwarmstädten keinen Sinn, da sich ja dadurch keine Erhöhung des Angebotes an angemessenen Wohnraum ergibt. Stattdessen werden dem öffentlichen Haushalt finanzielle Mittel entzogen, die dann für Stadtentwicklungsmassnahmen zur Förderung des Neubaus nicht zur Verfügung stehen. Zudem wäre die Frage zu klären, ob es zum Wohl der Allgemeinheit gehört, die Wohnkosten für Einkommensschwache durch den Verzicht auf Mieterhöhungen oder sogar durch Verluste aus der Vermietung öffentlichen Wohnungseigentums zu begrenzen. Wer für angemessenen Wohnraum zu angemessenen Preisen sorgen will, der sollte die zur Verfügung stehenden Mittel auf bessere Rahmenbedingungen für mehr und besser bezahlte Beschäftigung und zur Förderung eines ausreichenden Angebotes fokussieren.

Das Dilemma der Stadtentwicklungspolitik

Die strukturelle Verschiebung der Wohnungsnachfrage von den ländlicheren Regionen in beliebte Mittelstädte und Metropolregionen ist nicht das Ergebnis kurzfristiger Entwicklungen, sondern von langfristigen Trends, die in der Regel früh zu erkennen sind. So hatte z.B. Berlin im Jahre 2005 noch ca. 150.000 Wohnungen leer stehen, aus den Zu- und Wegzügen waren aber schon erste Tendenzen steigender Beliebtheit zu erkennen. Seitdem sind die Einwohnerzahlen jedes Jahr gewachsen, ohne dass mit geeigneten stadtentwicklungspolitischen Massnahmen darauf reagiert wurde. Nicht das es dafür eine Vielzahl geeigneter Vorschläge und Ideen gegeben hätte. Infrastrukturentwicklung, zweckorientierte Baulanderschliessung, pragmatische Genehmigungsverfahren, schnellere Entscheidungsprozesse, eine einheitliche Industrieansiedlungspolitik hätten das Angebot an Wohnraum erhöht, eine positive Entwicklung von Beschäftigung und Haushaltseinkommen gefördert und damit die jetzt eingetretene Zuspitzung verhindern können. Stattdessen ist selbst für die Pflege der vorhandenen Infrastruktur kein Geld mehr da, die Zahl der notwendigen Genehmigungen und Auflagen nimmt kontinuierlich zu, Partikularinteressen verhindern schnelle Entscheidungen und in den Bauämtern können Stellen nicht mehr nachbesetzt werden. Und statt jetzt den Schulterschluss mit privaten Investoren zu suchen, lässt man sich von Wutbürgern instrumentalisieren und redet der ungeeigneten Enteignung das Wort. Ein angemessener Umgang der Politik mit der eigenen Verantwortung und nachhaltiges Wirken sieht anders aus.

Politischer Willensbildungsprozess

Volkswirtschaftsstudenten lernen bereits in den ersten Semestern, daß das Streben, bei der nächsten Wahl wiedergewählt zu werden, zu einem politischen Konjunkturzyklus führt, bei dem vor der Wahl populäre Massnahmen versprochen werden und unpopuläre Entscheidungen möglichst zeitnah nach der Wahl umgesetzt werden sollten. Durch die fehlende Harmonisierung von Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen und die quasi permanente Bewertung politischen Handelns in den Medien finden wir uns heute eher in einer Dauerwahlkampfsituation, die langfristiges Denken und Handeln der Politik durch reaktiven Aktionismus ersetzt. Die ganzheitliche Betrachtung von Wirkungszusammenhängen kommt dabei zu kurz und am Ende steht dann häufig die Symbolpolitik oder das Scheitern. Statt Problem zu lösen, werden neue geschaffen, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen nehmen einen breiten Raum ein. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn es immer häufiger zu Bürgerinitiativen kommt, die den von ihnen gewählten Vertretern ihre Meinung mit Unterschriftssammelaktionen den Weg weisen wollen. Leider hat aber auch dieses Vorgehen neben einigen Vorteilen viele Nachteile, die beachtet werden sollten. Wer politische Tagesentscheidungen auf die Schultern der Bürger legt, muss auch dafür sorgen, dass diese vollumfänglich informiert sind und alle Stakeholder zu Wort kommen.

Quo vadis Immobilienwirtschaft

Die Immobilienwirtschaft und ihre Interessenvertreter werden die Entwicklungen im politischen Willensbildungsprozess nicht aufhalten oder verändern können. Sie können allerdings dafür sorgen, dass neben politischen Entscheidern auch breite Schichten der Bevölkerung mehr Transparenz über immobilienwirtschaftliche Sachverhalte und Zusammenhänge bekommen. Dieses Ziel sollte alle diejenigen, die die Regeln beachten und jeden Tag beweisen, dass sie in ihren Entscheidungen neben der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit auch gesellschaftliche und ökologische Wirkungen berücksichtigen, einen. Der ZIA hat als einziger Verband, der alle Asset-Klassen und Dienstleister der Immobilienwirtschaft vertritt, die große Aufgabe, diese Einigung herbeizuführen und geeignete, inhaltlich geprägte Massnahmen unter Berücksichtigung moderner Kommunikationsformen und -wege zu erarbeiten und umzusetzen. Das entspricht nicht nur den Interessen der Mitgliedsunternehmen mit ihren vielen Millionen Mitarbeitern, sondern auch denen unserer Gesellschaft, denn ohne eine funktionierende Immobilienwirtschaft wäre unser Land im wahrsten Sinne des Wortes ärmer.

TZ/12.4.2019

Erschienen im Geschäftsbericht des ZIA, 07.2019